Barbera – die Traube des Piemont
Eine ganze Reihe von Vorzügen machen die Rebe zu einer Paradesorte Italiens.
Neben Sangiovese und Montepulciano gehört die Barbera-Rebe in Italien zu den am häufigsten angebauten roten Rebsorten. Ihre größte Verbreitung hat sie in Norditalien: In der Lombardei (Oltrepò Pavese), in der Emilia-Romagna (Colli Piacentini und Colli Bolognesi) und vor allem im Piemont, wo nach Angaben der in der Schweiz erscheinenden Handelszeitung von insgesamt 53.000 Hektar Rebfläche ein gutes Drittel mit Barbera bestockt ist (Stand: Dezember 2013). Die an Bodentyp und Klima sehr anpassungsfähige qualitativ hochwertige Sorte stammt vermutlich entweder aus dem piemontesischen Bereich Monferrato oder aus dem Oltrepò Pavese.
Robuste Rebe – viele Weinstile
Barbera ist eine robuste Rebe, die sehr wenig Pflege benötigt. Sie mag heiße Sommer, gilt als winterhart und ist frostunempfindlich im Frühjahr. Der typisch piemontesische Mix aus der Hitze des Tages und der Kühle der Nacht ist ein wichtiger Faktor, der die Säure in den mittelgroßen Beeren erhält und ihre Fruchtigkeit fördert. Die Barbera-Rebe hält dank der feinen Härchen an der Unterseite der Blätter sogar eine länger anhaltende Trockenheit aus. Das feine Haarkleid verringert die Verdunstung. Dies ist eine wichtige Eigenschaft, da die Rebe im Piemont in der Regel ohne künstliche Bewässerung auskommen muss. Auch ist Barbera nicht sonderlich krankheitsanfällig. Da die Trauben aber keinen Wasserstau im Boden mögen, wird die rote Sorte vor allem auf dem Hügel und auf lockeren, durchlässigen Böden mit guter Ausrichtung und an sonnigen Standorten angepflanzt.
Sogar in schlechtesten Jahren wirft die Barbera ohne großen Produktionsaufwand zuverlässig wirtschaftliche Erträge ab. Da die Wuchskraft der Reben hoch ist, müssen im Sommer mehrmals das Laub und die Triebspitzen zurückgeschnitten werden, um Massenerträge zu verhindern. Neuerdings wird auch durch einen kurzen Beschnitt (Kordon-Erziehung) die Knospenzahl und damit die Fruchtbarkeit reduziert. Die recht dünnhäutigen Trauben reifen zwar nicht so spät wie die des großen Konkurrenten Nebbiolo, aber später als die des Dolcetto. Die Erntezeit erstreckt sich in der Regel auf den Zeitraum zwischen Ende September und Mitte Oktober.
Die Wahlheimat der Barbera ist der Hügelgürtel des südlichen Piemonts, zwischen der Po-Ebene im Norden und den Bergen des Apennin im Süden. Die Traube bevorzugt warme und sonnige Ausrichtungen und Böden, die kalkreich und feinkörnig sind, Schlick und Lehm aufweisen und reich an Karbonaten sind. Auf sandigen Böden wird der Ertrag auf natürliche Weise eingedämmt.
Der größte Teil der Ernte wird zu einfachem Vino da Tavola verarbeitet. Dabei handelt es sich um einen ländlichen, süffigen und wegen der meist kräftigen Säure erfrischenden Rotwein. Die weite Verbreitung der Barbera-Traube führt auch dazu, dass aus ihr viele unterschiedliche Weinstile erzeugt werden. Die Bandbreite reicht hier von stillen und trockenen über perlende bis hin zu lieblichen Abfüllungen.
Wenig Tannin, aber kräftige Säure
Im Piemont wird Barbera im Allgemeinen reinsortig vergoren. Der Wein hat dann eine tief-rubinrote Farbe und besitzt Aromen, die Liebhaber edler Tropfen häufig mit Wildkirschen, Veilchen oder Vanille vergleichen. Wenn gut ausgereifte Trauben geerntet werden, erinnert Barbera-Wein an saftige Süßkirschen – die berühmten Piemont-Kirschen. Noch reifere Früchte wecken Assoziationen an süße Zwetschgen; sie zerfließen dann buchstäblich am Gaumen. Zu all dem kommt noch ein Hauch von Piemont aus Aromen von feuchter Erde und herbstlichem Duft.
Die Weine sind kraftvoll und zeichnen sich durch einen geringen Tanningehalt aus. Trotz ihres niedrigen Ausmaßes an Gerbstoffen wirken sie aber nie eintönig oder seicht, da sie von einer überaus kräftigen Säure getragen werden. Ihren „Körper“ behalten die Weine während der Traubenreife sogar bei sehr hohen Reifegraden oder einem schnellen Reifeprozess in heißem Klima. In Kombination mit ihrer Fruchtigkeit sind gelungene Barbera-Weine ausgesprochen reichhaltig und vollmundig.
Ideale Alltagsweine
Barbera-Weine sind bereits in ihrer Jugend trinkreif. Sie können aber auch ohne Probleme einige Jahre gelagert werden. Die fruchtige Frische, die ansprechende Kirschen-Aroma und die saftige Säure, die man in dem „einfachen“, klassischen Barbera findet, machen diese Weine zu idealen Alltagsweinen, die sich mit einer Vielzahl von Speisen – etwa Pasta und Pizza, aber auch Wild und Fleischgerichten – kombinieren lassen.
Bemerkenswert ist, dass der Ausbau in Barriques häufig zu einer deutlichen Verbesserung der Weine führt. Ein wesentlicher Grund: Die Säurelastigkeit der Barbera-Trauben wird durch aus dem Holz gelöste Tannine ausgeglichen, was ihnen zu einer überraschenden Weichheit und Fülle verhilft. Es sind aber auch weiterhin preisgünstigere Weine im traditionellen Stil auf dem Markt erhältlich: Weine, die im großen Stückfass reiften – einem Holzfass, das kaum Einfluss auf die guten Tropfen hat und keine Holzaromen an sie abgibt.
Vor einer glorreichen Zukunft
Die bekanntesten Barbera-Weine im Piemont sind der Barbera d’Alba, der Barbera d’Asti und der Barbera del Monferrato. Außerhalb dieser wichtigsten Anbauregion sowie der Regionen Lombardei und Emilia-Romagna, wird die rote Sorte noch in Franciacorta, Valpolicella, im Trentino und in Süditalien kultiviert. Doch außerhalb ihrer piemontesischen Heimat wird Barbera meist mit anderen Rebsorten verschnitten. In Übersee wird die Rebe vor allem in Kalifornien, Argentinien, Mexiko, Brasilien, Australien und Südafrika angebaut. Die besten önologischen Ergebnisse stammen allerdings aus einigen Gebieten des südlichen Piemonts. Anderswo kann die Barbera zwar auch gute Weine abgeben, jedoch von einfacherer Art.
Das Piemont steht als eine ländliche, weinbaulich zugleich hoch ambitionierte Region Italiens zwar auch für die bedeutenden Rotweine Barolo und Barbaresco. Doch in den neunziger Jahren sind der dunkelfarbene Barbera und einige bislang wenig bekannte andere Weine in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Wir müssen keine prophetische Gabe besitzen, um dem Barbera noch eine glorreiche Zukunft vorauszusagen. (mh)